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DEBA Employerbranding – Magazin Diversity

Dazugehören zählt –
Employer Branding als Schlüssel für mehr Diversity und Inklusion

Diversity meint mehr als schicke Bilder einer vielfältigen Belegschaft und griffige Werbe-Slogans. Es geht um ein Gefühl der Zugehörigkeit – für alle. Die dafür nötige Identifikation zu stiften, das war schon immer eine Stärke klar positionierter Arbeitgebermarken. Doch um echte Diversity zu leben, müssen sich Unternehmenskulturen und Employer Brands weiterentwickeln, davon ist Reiner Kriegler überzeugt. Wie das in der Praxis funktioniert? Das verrät ihm Dr. Eva Voß, Head of Diversity, Inclusion and People Care Germany & Austria bei BNP Paribas im Interview.

Diversity wird zum Mainstream – und ist aus der Arbeitgebermarke vieler Unternehmen nicht mehr wegzudenken. Doch wenn man einmal hinter die Regenbogen-Flaggen schaut, schmücken sich einige Marken nur mit Diversity-Slogans, um sich für möglichst viele Bewerber:innen attraktiv zu machen. Echte nach innen gelebte Diversity und Inklusion dürfte nach wie vor in deutschen Unternehmen eine Seltenheit sein.

Nicht umsonst hat die Charta der Vielfalt ihre jährliche Diversity-Konferenz vor wenigen Tagen unter das Motto „Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung: Werte verteidigen in Krisenzeiten“ gestellt und eine Rückbesinnung zum Wert der Vielfalt angemahnt. Heute kann jeder auf Social Media lesen: Die Digitalkonferenz mit über 60 hochkarätigen Speaker:innen war ein großer Erfolg – was fantastisch ist. Versteht mich nicht falsch. Aber bei aller Euphorie, mit der wir multinationale Teams und vielfältige Geschlechteridentitäten feiern, frage ich mich: Wo sind die Menschen mit Behinderung?

 

Diversity ja – aber nicht für alle?

Warum tauchen sie im Employer Branding nicht auf? Oder könnt ihr euch erinnern, eine Stellenanzeige mit Menschen im Rollstuhl gesehen zu haben? Warum hat Behinderung in einer authentischen Arbeitgeberpositionierungen keinen Platz? Warum ist die eine Behinderung eine Diversitätsdimension zweiter Klasse?

Für Deutschland gibt es dazu sogar ein paar Zahlen. Behinderung wird laut der Diversity-Studie 2020 der Charta der Vielfalt von den meisten Unternehmen als »schwierige Diversity-Dimension« angesehen¹. Auch der »German Diversity Monitor 2021« der Initiative Beyond Gender Agenda kommt zu dem Schluss, dass Menschen mit Behinderungen selten im Fokus des Diversitätsengagements der Unternehmen stehen². Das wirkt sich auf die Erwerbstätigen-Quote aus: Laut Statistischem Bundesamt waren 2021 nur knapp 57 Prozent der Menschen mit Behinderung zwischen 15 und 64 Jahren berufstätig oder suchten nach einer Tätigkeit³.

 

Employer Branding und Diversity haben das selbe Ziel: Identifikation

Wie wir das ändern können? Mit identitätsbasiertem Employer Branding. Denn eine Arbeitgeberpositionierung, die die gelebte Unternehmenskultur abbildet, bietet Identifikationspotenzial. Und das ist viel mehr als nur Fakten über eine bunte Belegschaft zu verbreiten. Identifikation gibt das Gefühl der Zugehörigkeit und geht damit sogar über die reine Inklusion hinaus. Wie wir dahin kommen? Redet mit – so vorhanden – Kolleg:innen mit Behinderung. Fragt sie, warum sie gerne bei euch arbeiten. Macht sie zu Markenbotschafer:innen!

Und wenn ihr das Gefühl habt, ihr seid die ersten und einzigen, die das machen – das trügt euch nicht. Wir fangen im Employer Branding gerade erst an, darüber nachzudenken, wie wir Unternehmenskulturen und Arbeitgebermarken verändern und öffnen müssen, damit jede*r eine sinnstiftende Tätigkeit findet. Aber es führt kein Weg daran vorbei. Aus moralischer Sicht ohnehin nicht. Und auch angesichts des zunehmenden Fachkräftemangels steht es uns gut zu Gesicht, alle, aber auch wirklich alle potenziellen Arbeitskräfte in den Blick zu nehmen.

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DEBA Employerbranding – Magazin – Diversity & Inclusion

Wie gehören Employer Branding und Diversity eigentlich zusammen?

Drei Fragen an Dr. Eva Voß, Head of Diversity, Inclusion and People Care Germany & Austria bei BNP Paribas.

Frau Voß, Employer Branding und Diversity – warum ist beides aufeinander angewiesen?

Eva Voß // Employer Branding umfasst ja nicht nur die Außen-, sondern fast noch wichtiger die Innensicht auf das Unternehmen. Wie sieht denn die Unternehmenskultur überhaupt aus? Welche Werte lebt das Unternehmen? In welchen Lebensphasen befinden sich die Mitarbeitenden und was ist ihnen dabei wichtig? Davon ausgehend stellt sich die Frage: Was wollen wir denn nach außen als Botschaft über unsere Organisation senden?

Um hier wirklich eine zielgruppengerechte Ansprache sicherzustellen, braucht es eine fundierte Analyse, bei der Vielfalt automatisch ein immanenter Bestandteil ist. Ein Beispiel: Schaut man sich die Daten der Umgebung (zum Beispiel Stadt oder Bundesland) an, in der das Unternehmen aktiv ist, spiegelt sich selten die Bevölkerungsstruktur wider. So liegt der Bevölkerungsanteil von Menschen mit Migrationsgeschichte in Berlin bei über 35 Prozent, allerdings haben nur 12 Prozent der Angestellten in der Bundesverwaltung eine Migrationsgeschichte und in der Berliner Verwaltung sind nur 3 Prozent der Beschäftigten in Führungsebenen People of Color.

Eine Employer-Branding-Strategie, die an einer solch großen Zielgruppe vorbei sendet, verschenkt unnötig Potenzial. Dagegen bringt ein divers aufgestelltes Unternehmen etliche Vorteile in der Positionierung auf dem Arbeitsmarkt und schafft es eher, Talente für das Unternehmen zu begeistern.

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DEBA Employer Branding – Magazin – Diversity & Inclusion Dr. Eva Voß

Dr. Eva Voß

Head of Diversity, Inclusion and People Care Germany & Austria bei BNP Paribas

Wie ernst nehmen es Unternehmen mit Diversity & Inclusion im Employer Branding? Sehen Sie gute Initiativen – oder ist vieles „Pinkwashing“?

Eva Voß // Das lässt sich nicht pauschal sagen. Ich wäre zudem sehr vorsichtig mit dem Vorwurf des »Pinkwashings«, weil in der Regel dazu zu wenige Informationen vorliegen, um wirklich von außen beurteilen zu wollen, was ein Unternehmen von innen wirklich umgesetzt. Meiner Meinung nach gilt es erstmal zu honorieren, dass sich Unternehmen auf den Weg machen und Diversität als Thema erkannt haben. Natürlich kann und müsste alles schneller gehen, aber wir sprechen bei derart tiefgreifenden Kulturveränderungsprozessen von sechs bis acht Jahren.

Das heißt, es braucht auch ein wenig Langmut und Geduld, um Ergebnisse zu sehen. Die Charta der Vielfalt, Deutschland größter Branchenverband zu Diversity, veröffentlicht regelmäßig Erfolgsgeschichten, wo es gelungen ist, – vom Bäckerei-Betrieb bis Großkonzern – die richtigen Pflöcke einzuschlagen. Sei es Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Pflege (das Thema!) zu schaffen oder eine professionelle Nachfolgeplanung umzusetzen. Dieser tolle Fundus an Initiativen stimmt mich daher optimistisch, dass es sehr wohl ernsthafte und auch nachhaltig geplante Anstrengungen gibt, Vielfalt nach innen zu leben und nach außen zu tragen.

Ihre Einschätzung für die Zukunft: Wie werden und müssen Diversity & Inclusion und Employer Branding zusammenwachsen?

Eva Voß // Es geht nicht darum, willkürlich möglichst vielfältige Profile zu suchen. Daher ist meines Erachtens ein professionelleres Zusammenwirken nötig. Etwa indem Analysen, wie die Auswertung eigener Altersstrukturdaten, selbstverständlich im Employer Branding genutzt werden. Menschen, die heute eher in einer alterszentrierten Unternehmensstruktur arbeiten, also 45+ Jahre alt sind, haben im Zweifel andere Bedürfnisse an ihr Unternehmen als diejenigen, die in einem Start-up mit mehrheitlich unter 30-Jährigen zusammenarbeiten.

Diese Analysen fehlen aber einfach noch zu oft, um wirklich Angebote zu machen, die für die Zielgruppen der Employer-Branding-Kampagnen relevant sind. Was nützt mir der Dienstwagen, wenn ich einen Kita-Platz benötige, oder ein schicker Tischkicker, wenn ein kohärentes Gesundheitsmanagement fehlt? Niemand würde auf die Idee kommen, ein Produkt zu bewerben, was für die Zielgruppe uninteressant oder irrelevant ist. Gleiches ist beim Employer Branding zu erwarten, weshalb wir uns klischeefrei mit den heterogenen Zielgruppen – intern wie extern – intensiver befassen müssen.

 

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